Wenn Gott jeden Menschen erreichen möchte, sollte er doch daran interessiert sein, möglichst alle Menschen von seiner Existenz zu überzeugen. Er könnte für alle sichtbare Wunder tun, die man ohne jedem Zweifel ihm zuordnen müsste, oder so tatkräftig in die Weltgeschichte eingreifen, dass niemand das hinterfragen kann. Das ist ja auch gängige Logik bei den vielen Fragen, die so beginnen: „Wenn es einen Gott gäbe, dann …“ Dann würde er einfach den gegenwärtigen Krieg in Europa beenden, alle Flüchtlinge aus dem Mittelmeer retten und sämtliche Waldbrände einfach löschen? Minen würden nicht mehr explodieren, Marschflugkörper in den Abschussbasen steckenbleiben. Der Taschendieb könnte seine trickreiche Hand nicht mehr ausstrecken, die unkorrekten Zahlen bei der Steuererklärung würden sich automatisch immer wieder in die richtigen verwandeln und die Versicherungsbranche würde pleitegehen, weil es keine Schäden mehr gäbe. Das Gaspedal des Rasers auf der Autobahn würde ihm einfach nicht gehorchen und die hoch erhobene Hand des ehelichen Gewalttäters würde einfrieren. Mancher Politiker würde mich hochrotem Kopf am Rednerpult ganz andere Dinge sagen als er sich vorgenommen hatte. Rechtsradikale würden Ausländer zum Kuchenbuffet einladen. Die Aufzählung ließe sich lange fortsetzen. Je länger sie wird, um so deutlicher wird auch: Das ist nicht unsere Welt, sondern ähnelt immer mehr jener, die Gott für die Zukunft versprochen hat. Dort will er hin. Allerdings nicht mit allen, sondern nur mit denen, die eine Zukunft mit ihm gut finden, oder so leben, dass sie in jene Welt passen.
Wenn wir davon ausgehen, dass es Gott gibt, dann hätte er sicher die Möglichkeit, sich machtvoll so zu zeigen, dass niemand mehr Zweifel an seiner Existenz haben könnte. Da Gott dies aber offensichtlich nicht tut, will er es nicht. Aber warum?
Die Bibel schildert uns Gott als ein Wesen, das jeden Menschen liebt und zu jedem in vertrauensvollem Kontakt stehen möchte. Vertrauen aber lässt sich nicht verordnen. Wenn ich jedoch durch „Fakten“ wie z.B. durch unleugbare Wunder oder übernatürliche Erscheinungen gezwungen wäre, die Existenz Gottes anzuerkennen, dann würde ich kein freiwilliges Vertrauen zu ihm entwickeln. Ich würde mich lediglich Fakten beugen. Das aber ist Gott offenbar zu wenig. Er sucht die vertrauensvolle Beziehung, nicht die notgedrungene Beugung unter Fakten.
Er liefert uns also keine zweifelsfreien Gründe für seine Existenz, weil er sich wünscht, dass wir uns aus vollkommen freien Stücken für eine Beziehung mit ihm entscheiden.
Hängt dann Glaube an Gott völlig in der unlogischen Luft? Nein. Es gibt mindestens Anhaltspunkte dafür, dass es ihn gibt. Es hat lange gebraucht, aber seit ungefähr 60 Jahren geht auch die „Wissenschaft“ davon aus, dass unser Universum einen Anfang hatte. Wenn man erst einmal realisiert hat, wie genial unsere Welt angelegt ist, fällt es immer schwerer, von Zufall auszugehen. Und wer jüngst, so wie ich, in gesundheitliche Grenzsituationen gekommen ist, der versteht vor diesem Hintergrund vielleicht leichter, dass unser Körper in einem wohldurchdachten Zusammenspiel agiert, nicht in einem Zufallskonglomerat. Wenn eine kleine Funktion ausfällt, kann das sehr einschneidende Folgen für den ganzen Organismus haben. Das Schritt-für-Schritt-Entstehen eines solch komplexen Organismus hätte nicht stattfinden können, ohne dass er stirbt. Ich sehe dort die ordnende Hand eines intelligenten Schöpfers.
In einem bemerkenswerten Beitrag, der im ZDF gesendet wurde, fragt Prof. Harald Lesch, ob es Gott gibt (zum Beitrag auf YouTube). Er bewegt in der Sendung verschiedene wissenschaftliche Argumente und lässt die Antwort am Schluss offen. Es liegt auf der Hand: Der Mensch soll sich frei entscheiden. Wie unsere jetzige Welt allerdings aussieht, dafür haben wir Menschen alle Mittel und Möglichkeiten, auch und besonders zum Guten.
(Beitrag in Anlehnung an einen Artikel von Stephan Lange in: Frag los! 50 Antworten für Skeptiker und Glaubende, 2021 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn)